2.0102 Österreich – der zweite deutsche Staat




1. Einleitung, Lage und Zahlen

Während der Zeit des kalten Krieges war es üblich von 2 deutschen Staaten zu reden, der dritte überwiegend von Deutschen bewohnte Staat – die Republik Österreich trat dabei in den Hintergrund und auch heute spricht man sowohl in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in Österreich oft von Österreich wie von einem Neutrum, nicht wie von einem deutschen bzw. deutsch-geprägten Land. Dabei ist Österreich genau so eng mit den Begriffen Deutsch und Deutschland verbunden wie die Bundesrepublik - über 1000 Jahre gemeinsamer Sprache, Geschichte und Kultur bilden ein  unsichtbares Band der Gemeinsamkeit, dass auch nicht durch unachtsame und konformistische Deutsche auf beiden Seiten und sogenannte Realpolitiker zerschnitten werden kann.
Mit meinen Posts http://euro-ethnien.blogspot.de/2013/06/201-das-deutsche-volk-in-europa.html und http://euro-ethnien.blogspot.de/2013/06/201-b-die-deutsche-sprache.html habe ich bereits versucht auf diese Gemeinsamkeiten hinzuweisen, die leider allzu oft verdrängt werden.
Die heutige Republik Österreich ist ein deutscher Staat, der in dieser Form erst nach dem 1. Weltkrieg und der Niederlage des Kaiserreichs Österreich-Ungarn entstanden ist. Wegen des hohen Anteils der Alpen an seiner Fläche wird das Land häufig auch Alpen-Republik genannt. Als typischer Binnenstaat grenzt er an 8 andere europäische Staaten. Österreich ist wie Deutschland ein Bundesstaat und besteht aus neun Bundesländern, wovon Wien gleichzeitig Bundeshauptstadt ist. (siehe folgende Übersichtskarte)

Österreich hat 2013 auf einer Fläche von 83.879 km² ca. 8,5 Millionen Einwohner, davon 88,6% deutsche Muttersprachler.[1] Im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz ist in der österreichischen Verfassung Deutsch als Staatssprache festgelegt. Daneben gibt es in Österreich authochtone Volksgruppen, die nicht zum deutschen Volk zählen (Ungarn und Kroaten im Burgenland, Slowenen in Kärnten, Tschechen und Slowaken in Wien und Roma vor allem im Burgenland), darüberhinaus wie in allen westeuropäischen Staaten eine große Zahl von Migranten mit den  gleichen  Problemen wie in der Bundesrepublik[2]

2. Kurzer Geschichtlicher Rückblick

Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg und dem Zerfall des Habsburger Reiches wurde von den verbliebenen Deutschen dieses Vielvölkerstaates die Republik Deutsch-Österreich gegründet. Was Bismarck im 19. Jahrhundert verhindert hat, wurde nun unter dem Eindruck des verlorenen Krieges von Deutschen in Österreich und im Deutschen Reich angestrebt: Eine Vereinigung in einem Gesamtdeutschen Staat. Bereits am 21. 10. 1918 hatten die Reichstagsabgeordneten der deutschen Landesteile von Österreich-Ungarn eine vorläufige Nationalversammlung für Deusch-Österreich gebildet, die am 30. 10. 1918 einstimmig beschloss, die deutsche kaiserliche Regierung zu bitten, künftig die deutsch-österreichischen Interessen wahrzunehmen. Am 9. 11. 1918, dem Amtsverzicht des deutschen Kaisers Wilhelm II, bat der deutsch-österreichische Nationalrat die Berliner Regierung, die Teilnahme Deutsch-Österreichs am Aufbau des Reiches zu ermöglichen. Am nächsten Tag schloss sich der Landesausschuss für Deutsch-Böhmen diesem Antrag an, und am 12. 11. 1918 erklärte die vorläufige Nationalversammlung Deutsch-Österreichs: „Deutsch-Österreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik“. Auf deutscher Seite hieß es in der am 14. 8. 1919 in Kraft getretenen Reichsverfassung: „Das Reichsgebiet besteht aus den Gebieten der deutschen Länder. Andere Gebiete können durch Reichsgesetz in das Reich aufgenommen werden, wenn es ihre Bevölkerung kraft Selbstbestimmungsrechts begehrt.“ Und im § 61 hieß es:“Deutsch-Österreich erhält nach seinem Anschluss an das Deutsche Reich das Recht der Teilnahme am Reichsrat mit der seiner Bevölkerung entsprechenden Stimmenzahl. Bis dahin haben die Vertreter Deutsch-Österreichs beratende Stimme“.[3]
Durch Intervention der Siegermächte wurde es aber den Deutsch-Österreichern ebenso wie den Sudetendeutschen untersagt, sich dem Deutschen Reich anzuschließen, obwohl damals ein breiter vom Volk getragener Wille dazu vorhanden war. Das vom amerikanischen Präsidenten Wilson versprochene Selbstbestimmungsrecht wurde mit Füßen getreten und vergewaltigt. Außerdem musste Österreich neben dem italienischen Trentino auch das fast rein deutsche Südtirol an Italien abtreten. Dadurch wurde das verbliebene Bundesland Tirol in zwei nicht miteinander verbundene Regionen (Nord- und Osttirol) geteilt. Weitere Hinweise über Südtirol und seine Geschichte gebe ich in meinem Post  http://euro-ethnien.blogspot.de/2012/09/20109-sudtirol-deutsche-sudtiroler.html .  
Das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen in Österreich wurde nach 1918 zumindest in zwei Regional-Fällen teilweise berücksichtigt. Der westliche deutschsprachige Teil Ungarns kam durch den Friedensvertrag von St. Germain als Burgenland zum neuen deutsch-österreichischen Staat, allerdings erst 1921 nach langwierigen Auseinandersetzungen mit Ungarn und ohne die Stadt Ödenburg, in der eine manipulierte Volksabstimmung für den Verbleib bei Ungarn ausging. Im zweiten Fall ging es um Südkärnten bzw. das Klagenfurter Becken. Den Deutsch-Österreichern war klar, dass die vollständig oder überwiegend von Slowenen bewohnten Gebiete an den neuen südslawischen Staat fielen. Der wollte aber mehr - mit Hinweis auf die slowenische Bevölkerung in Südkärnten. Auch hier wurde lange mit wechselndem Erfolg gekämpft und verhandelt. Bis die Volksabstimmung vom 10. 10. 1920 ein eindeutiges Ergebnis für Deutsch-Österreich brachte. Dabei stimmten auch viele Kärntner mit slowenischer Muttersprache für Deutsch-Österreich.

Ich weiss, in der Geschichte darf man nicht mit „Was wäre wenn…“ argumentieren, aber die Frage ist schon erlaubt, ob eine andere Haltung der damaligen Sieger - vor allem aber  die Beachtung des von Wilson zugesagten Selbstbestimmungsrechts - nicht einen Hitler und damit unsägliches Leid für Millionen Menschen verhindert hätte.
Was die Alliierten den demokratischen Deutschen und Österreichern verweigerten, standen sie später ohne Wiederstand dem Diktator Hitler zu, der 1938 Österreich und 1939 das Sudetenland an das Deutsche Reich anschloss. Nach dem Anschluss Österreichs unter Hitler, der von vielen Österreichern begrüßt wurde, folgten bald die Kriegsjahre und die Erfahrung, dass der Hitlerstaat zentralistisch von Berlin aus ein brutales Regiment führte. So war nach dem 2. Weltkrieg die Lust vieler Österreicher nach einer Vereinigung mit den Deutschen im Norden vergangen, zumal auch hier die Siegermächte entgegenstanden und im Staatsvertrag von 1955 Österreich einen eigenen Weg in die Neutralität vorschrieben. Manche Politiker in Österreich versuchten in der Folge von einer österreichischen (Willens-) Nation zu sprechen, aber ich bin davon überzeugt, dass sich die Mehrheit der Österreicher als Teil der deutschen Kultur-Nation betrachten, obwohl manche Österreicher  ein etwas anderes Lebensgefühl pflegen. Das gilt aber auch für andere deutsche Regionen und der Unterschied zwischen Wienern und Tirolern ist sicher ebenso groß, wie zwischen Bayern und Westfalen.
Nirgendwo besser als in Südtirol - in einer ebenfalls von den Alliierten nach dem 1. Weltkrieg vom Vaterland  Tirol und Österreich - entgegen dem Selbstbestimmungsrecht - abgetrennten deutschen Region - kann man sehr gut zwischen der großen deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft und dem Vaterland Österreich unterscheiden. Der Südtiroler Franz Pahl (ein langjähriger SVP-Abgeordneter im Südtiroler Landtag) hat die Situation seit 1945 sehr gut charakterisiert, in dem er schreibt: „Wollte Österreich in der Nachkriegswelt nach 1945 Profil und Ansehen gewinnen, die Russen erfolgreich abschütteln und sich mit dem diplomatischen Geschick des Staatsvertrages (von 1955) als modernes Land und frei von der Blutschuld Hitlers darstellen, glaubte man nicht umhin zu können, auch alles Deutsche auf Distanz zu halten….Die Realpolitiker werden sagen…dass die eigentlich verfälschende Darstellung Österreichs in der Welt ohne Hervorkehren des deutschen Staatscharakters. ...mindestens vorübergehend …als ein Gebot der Klugheit angesehen werden konnte….Vergessen wird, dass Selbstverständlichkeiten eines Tages zurücktreten und aus dem Denken verschwinden, wenn sie nicht doch gelegentlich hervorgehoben und ins Licht des Offiziellen erhoben werden….Wenn heute festzustellen ist, dass Österreich in aller Selbstverständlichkeit eine deutsche Schule, eine deutsche Kunst, Dichtung, Kultur, Verwaltung und Rechtssprechung besitzt, so muss es befremdend wirken, wenn trotzdem oft genug versucht wird, das Deutschsein Österreichs in Frage zu stellen. Mit Argumenten, die nicht einleuchten, wird versucht, eine Wirklichkeit zu unterschlagen, die dennoch allem Theoretisieren zum Trotz dichteste Alltagserfahrung bleibt: Österreich ist in allen Lebensäusserungen deutsch. Ein künstlicher Ausstieg aus der Geschichte und der tatsächlichen Verfassung des  deutschen Alltagslebens in Österreich ist gar nicht möglich. So bleibt es bei dem kindischen Versuch verbaler Distanzierung vom Deutschen. Österreich als eigene Nation darzustellen, muss peinlich unwahr anmuten. Es sei denn, man meint damit die Staatsnation, die jedoch nur einen Hilfsbegriff darstellt….Der Südtiroler, gefragt nach seiner Nationalität, wird einfach und schlicht „deutsch“ sagen.[4]  All jenen sogenannten Realpolitikern hat der ehemalige italienische Staatspräsident Francesco Cossiga zugerufen: Die Österreicher sind Deutsche….Die österreichische Nation gibt es nicht. Oder gibt es etwa eine österreichische Musik, eine österreichische Literatur? Österreich gibt es als Staat, nicht aber als Nation. Die Südtiroler sind eine deutsche, keine österreichische Minderheit.“[5]

3. Neuere Entwicklungen und Zukunftsperspektiven

Seit 1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union und trat am 28. 4. 1995 dem Schengen-Abkommen bei, das seit dem 1. 12. 1997 einen völlig freien Grenzverkehr zwischen den Teilnahme-Staaten ermöglicht. Seitdem sind die Grenzpfähle auch in vielen Köpfen verschwunden. Deutsche, Östereicher und Südtiroler können ohne Grenzkontrollen einander besuchen und sich austauschen. Was eine eigene österreichische Identität angeht, möchte ich auch an dieser Stelle auf die Darstellung dieses vielschichtigen Begriffs beim österreichischen Schriftsteller und Journalisten „Günther Nenning“, einem vormaligen Politiker der österreichischen Sozialisten, verweisen, der sehr überzeugend darstellt, dass ein Österreicher zur übergeordneten deutschen Nation gehört.[6] Österreichs wie Deutschlands und Südtirols Zukunft heisst daher heute Europa, ein Europa ohne Grenzen, aber mit Stolz auf die eigene Nation, Sprache und Kultur sowie Achtung und Toleranz gegenüber allen anderen Völkern und Kulturen.





[1] Der Fischer Weltalmanach 2011, Eintrag „Österreich“, (S. 362) und  http://de.wikipedia.org/wiki/Österreich
[2] Rudolf de Cillia: „Höhere Schulen – ausländerfrei? SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache an Höheren Schulen“(in Österreich), S. 253ff – erschienen in Ruth Wodak, Rudolf de Cillia (Hg.) „Sprachenpolitik in Mittel- und Osteuropa“ – Passagenverlag, Wien, 1995  - mit Zahlen von 1992, die aber auf  heute bezogen eher untertrieben sind.
[3] Werner Maser: Deutschland – Traum oder Trauma, Kein Requiem“, Droemer-Knaur Verlag, München 1984, S. 243f
[4] Franz Pahl: „Österreichisch oder deutsch?“ in Südtirol in Wort und Bild 2/1984
[5] Zitiert nach http://derstandard.at/2140888 vom 12. 8. 2005
und dem Südtiroler Magazin „FF“
 [6] Günther Nenning: „Die Nation kommt wieder“ Edition Interfrom Zürich 1990 – siehe weiter unter http://euro-ethnien.blogspot.de/2013/06/201-das-deutsche-volk-in-europa.html

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