2.253 Die Åland-Inseln






Lage und Zahlen


Bei den Åland-Inseln handelt es sich um eine Gruppe von über 6000 Inseln und Schären in der nördlichen Ostsee zwischen Schweden und Finnland gelegen. Sie bedecken eine Fläche von 1426 km² und haben ca. 25000 schwedisch sprechende Einwohner. Die Hauptinsel heißt Fest-Åland und ist durch Brücken mit den Inseln Eckerö und Lumparland verbunden. Auf der Hauptinsel liegt auch die Hauptstadt Mariehamn, wo ca. ein Drittel aller Einwohner leben. Die Inselgruppe gehört staatsrechtlich zu Finnland besitzt aber seit 1922 Autonomie-Rechte, die für andere Problemgebiete als Vorbild dienen können.

Geschichte


Altertumsforscher sind sich einig, dass auf Åland immer germanische Skandinavier gelebt haben - im Gegensatz zu den finnischen Festlands-Schweden, die erst im 13. Jahrhundert Finnland besiedelt haben (siehe 2.252). Wegen seiner günstigen Handelslage waren die Inseln im Mittelalter dichter besiedelt als andere Gebiete Skandinaviens. Sie waren bekannt durch Seehundfang und damit der Tranversorgung für weite Teile Europas und als Handelsstützpunkt für eine lebhafte Seefahrt zwischen dem Westen und Osten Europas bis in den nahen Osten. Später verlagerte sich diese Funktion nach Stockholm, wodurch die Bedeutung Ålands abnahm.1

Seit dem 18. Jahrhundert war Åland ebenso wie Finnland ein Zankapfel zwischen Schweden und Russland. 1714 wurde Åland von den Russen besetzt, die Bevölkerung floh z. T. nach Schweden und konnte erst nach dem Frieden von 1721 auf die verwüsteten Inseln zurückkehren. 1808 wurde Åland erneut von den Russen besetzt. Bei den Friedensverhandlungen 1809 musste Schweden die Åland-Inseln (und ganz Finnland) an Russland abtreten. Finnland und Åland erhielten jedoch einen autonomen Status im Zarenreich. Die Russen begannen nun die Åland-Inseln zu einer Flottenbasis auszubauen. Im Krimkrieg wurde diese Festung jedoch von den Engländern und Franzosen besetzt und gesprengt. In den Friedensvertrags-Verhandlungen 1856 versuchte Schweden die Åland-Inseln zurückzugewinnen, wogegen sich die Russen aber entschieden wehrten. Schließlich stimmte Russland im Frieden von Paris 1856 einer Neutralisierung Ålands zu.

Im 1. Weltkrieg wurde Åland erneut von den Russen besetzt, um Erztransporte von Schweden nach Deutschland zu verhindern. Nach Ausbruch der Oktober-Revolution 1917 sahen die Ålander eine Chance, sich wieder Schweden anzuschließen. Eine Versammlung
aller Gemeindevertreter beschloss einen entsprechenden Antrag an den König und die Regierung Schwedens. Bei einer Volksabstimmung sprachen sich 96% der Bewohner der Åland-Inseln für den Anschluss an Schweden aus. Inzwischen hatte am 6. Dezember 1917 aber auch Finnland seine Selbständigkeit proklamiert und es widersetzte sich entschieden der Abtrennung Ålands. Auch ein vom finnischen Reichstag 1920 beschlossenes Autonomiegesetz für Åland fand nicht die Zustimmung der Bewohner der Inselgruppe. Auf Vermittlung der britischen Regierung wurde nun der inzwischen gegründete Völkerbund mit der Lösung der Auseinandersetzung beauftragt.

Die Autonomie der Åland-Inseln


Eine Sonderkommission des Völkerbundes schlug schließlich vor, die finnische Souveränität über die Åland-Inseln zu bestätigen, jedoch mit der Auflage einer Entmilitarisierung und Neutralisierung und einer Autonomie, die die schwedische Sprache und Kultur der Inseln dauerhaft bewahren solle. Dieser Vorschlag wurde vom Völkerbund am 24. 6. 1921 angenommen und von Finnland und Schweden akzeptiert.2 Am 9. Juni 1922 trat der erste von der åländischen Bevölkerung gewählte Landtag (Lagting) zusammen, der die Landesregierung (Landskapsstyrelse) wählte. Dieser Tag wird seitdem als Selbständigkeit-Tag gefeiert.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde 1951 ein neues Autonomie-Gesetz in Kraft gesetzt, das die åländische Selbstverwaltung bestätigte. Dieses Gesetz wurde 1954 und 1984 nochmals erweitert. Demnach ist die Hauptaufgabe der åländischen Selbstverwaltung der Schutz der schwedischen Sprache und Kultur. Ausschließliche Amtssprache ist schwedisch, auch im Schriftverkehr mit dem finnischen Staat. Finnen können ein Bleiberecht auf den Inseln erst erwerben, wenn sie 5 Jahre auf der Inselgruppe ansässig sind und über gute Schwedisch-Kenntnisse verfügen. Darüber hinaus ist die Grundlage der Autonomie dadurch abgesichert, dass beim Erwerb von Liegenschaften durch eine nicht auf Åland ansässige Person jeder Inselbewohner, sowie der Landrat und die jeweilige Inselgemeinde ein Vorkaufsrecht haben. 3
Seit 1954 haben die Åland-Inseln eine eigene Flagge und 1984 wurde ihnen zugestanden, eigene Briefmarken herauszugeben.

Schließlich wurde 1993 nochmals eine Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes für die Åland-Inseln notwendig, weil in Finnland eine erneute Diskussion über die Sonderrechte der Ålander aufgekommen war, insbesondere mit dem Tenor, dass doch auch die Schweden auf dem finnischen Festland keine Sonderstatuten brauchten, weil sie im vollen Umfang der finnischen Bevölkerung gleichgestellt seien (siehe 2.252). Nachdem die Streitfragen in einer Kommission aus beiden Seiten beigelegt waren, brachte das neue Gesetzt die notwendigen Präzisierungen. Schweden hielt sich aus der Debatte heraus mit dem Hinweis auf seine traditionelle Position, Finnland sei nach wie vor verpflichtet, sich an die 1921 vom Völkerbund in Genf beschlossenen Sonderrechte der Åland-Inseln zu halten.4

Eine Diskussion über den Status der Åland-Inseln kam nochmals im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung auf. Zwar ist Finnland für Verträge mit ausländischen Staaten zuständig, die Frage war jedoch offen, ob hier eine ähnliche Konstellation wie bei Dänemark und Grönland entstehen könne. Der åländische Landtag (Lagting) beschloss daraufhin im Dezember 1994, dass die EU-Konvention auch die Åland-Inseln betrifft. In einem Zusatzprotokoll zur Aufnahme von Finnland, Schweden und Österreich in die EU wurden die Privilegien der Ålander bestätigt.

Ausblick

Vielleicht hat die abgelegene Lage der Inseln und die verhältnismäßig geringe Bevölkerung dazu beigetragen, das hier im hohen Norden tatsächlich ein kleines (Autonomie-) Paradies besteht, das für viele Minderheiten Vorbildcharakter besitzt. Das ruhige Inselparadies wird von vielen Touristen insbesondere Wassersportlern besucht, die die Ruhe und den besonderen Charakter der Inseln schätzen, so dass der Fremdenverkehr heute eine der größten Einnahmequellen darstellt.
Dennoch sind wohl Bestrebungen im Gange, die Autonomie zu reformieren. Dazu war eine Delegation der Alandinseln in Südtirol, um sich von der dort praktizierten Autonomie Anregungen einzuholen. Ich gebe nachstehend einen Bericht der Zeitschrift "Das Land Südtirol" (Ausgabe Juni 2013) wieder:


Die Åland-Inseln, eine einsprachig-schwedische Provinz Finnlands, stehen vor einer weitreichenden Reform ihrer Autonomie. Eine Delegation des Inselparlaments traf im Landtag auf Präsident Maurizio Vezzali, die Präsidialsekretäre Veronika Stirner Brantsch und Roland Tinkhauser sowie die Fraktionsvertreter Andreas Pöder, Walter Baumgartner, Sven Knoll, Pius Leitner und Alessandro Urzì, um nützliche Hinweise für die Reform zu finden. Die Gäste, darunter auch Parlamentspräsidentin Britt Lundberg, fragten nach vielen Details der Südtiroler Autonomie und zeichneten ihrerseits ein Bild von einer Insel mit einer starken Autonomie, mit einem einsprachig-schwedischen Schulsystem, in dem aber Finnisch die meistgewählte Fremdsprache ist, mit Schweden als Kulturnation im Rücken, die vielen Studenten als Ausbildungsstätte dient, die aber nicht gegenüber Finnland als Schutzmacht angerufen wird, und mit klaren Zuständigkeiten, die nicht mit dem Staat geteilt werden müssen.



1Handbuch der europäischen Volksgruppen (Ethnos 8)
2Handbuch der europäischen Volksgruppen (Ethnos 8)
3Heinz Kloss /Ethnos 7) "Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert, S.149
4Pogrom Nr.. 182 April/Mai 1995

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