2.01.13 Die deutsche Volksgruppe in der Slowakei





1. Vorwort, Lage und Zahlen

Dieser bereits 2012 veröffentlichte Post wurde von mir überarbeitet und erweitert.

Am 1. Januar 1993 entstanden aus der vormaligen Tschechoslowakei die selbständigen Staaten Tschechien und Slowakei. Im Gegensatz zu den Sudetendeutschen wurden die Deutschen in der Slowakei als Karpatendeutsche bezeichnet. Ihre Hauptsiedlungsgebiete waren die Zips in der Ostslowakei, das Hauerland in der mittleren Slowakei und die Hauptstadt Preßburg. Auf dem Gebiet der heutigen Slowakei lebten vor dem 2. Weltkrieg ca. 128.000 Deutsche. Wie in Tschechien wurden auch sie nach 1945  aufgrund einer Ermächtigung durch die Siegermächte des 2. Weltkriegs und der berüchtigten Benes-Dekrete zu einem großen Teil vertrieben. 1947 schätzte man ihre Zahl noch auf 24.000,  bei der Volkszählung 2011 bekannten sich 4.690 slowakische Bürger zur deutschen Nationalität.


Nach Schätzung der Deutschen Botschaft und des Karpatendeutschen Vereins muss jedoch von einer weit größeren Zahl ausgegangen werden. Die Schätzungen schwanken zwischen 10 und 12.000 ethnischen Deutschen. Allerdings leben viele von ihnen in Mischehen und ihre Kinder lernen heute wieder die (hoch-) deutsche Sprache, der alte Dialekt geht aber immer mehr verloren.[1]
 

2. Geschichte


Nach dem Mongolensturm 1241 wurden deutsche Siedler durch den ungarischen König Bela IV in das seinerzeit verwüstete, fast menschenleere Land gerufen. Hinzu kamen deutsche Bergleute, die den Abbau von Gold, Silber und Kupfer – später Eisen, Graphit und Braunkohle - in den Westkarpaten bewerkstelligten. Im Mittelalter siedelten ca. 250000 Deutsche im Gebiet  der heutigen Slowakei, das entsprach etwa 30 % der Bevölkerung. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 waren die Deutschen in der Slowakei, das zum ungarischen Reichsteil der Doppelmonarchie gehörte, einer starken Magyarisierung ausgesetzt. Dies führte zu einem Rückgang der Deutschen auf knapp 200.000 bei der Volkszählung 1910. Immerhin hatte die Altstadt von Preßburg bis etwa 1900 noch eine deutsche Bevölkerungsmehrheit.
In der nach dem 1. Weltkrieg entstandenen Tschechoslowakei konnte die deutsche Minderheit wieder ein eigenständiges Schulwesen aufbauen und die deutsche Sprache und Kultur festigte sich in dieser Zwischenkriegszeit. Vor dem 2. Weltkrieg lebten auf dem Gebiet der heutigen Slowakei noch ca. 150.000 Bürger deutscher Nationalität. In Preßburg  zählte der Karpatendeutsche Verein vor 1945 ca. 20.000 Mitglieder.

Auf der Potsdamer Konferenz der Siegermächte 1945 wurde die „humane Umsiedlung der Deutschen“ aus der Tschechoslowakei beschlossen. Tatsächlich war dies eine Zeit unsäglicher Leiden für die deutsche Volksgruppe. In vier Aussiedlungslagern wurden die Deutschen zusammengefasst und der „humane Transfer“ in das von Alliierten besetzte Deutschland erfolgte in Viehwaggons. Infolge der Benesch-Dekrete wurden auch die seit vielen Jahrhunderten in der Slowakei ansässigen Deutschen enteignet. Wer bleiben konnte wurde drangsaliert und durfte kein Deutsch sprechen. So kam es in der Folge zu weiteren Übersiedlungen nach Westdeutschland.[2]

3. Heutige Situation[3]


Erst nach der Wende und der Gründung der eigenständigen Slowakei besserte sich die Lage der Karpatendeutschen. Allerdings hat die langjährige Entnationalisierung  und das Fehlen eines deutschen Schulwesens negative Spuren hinterlassen.

Ein Zentrum des Deutschtums ist heute das Dorf Hopgarten  in der slowakischen Zips, am Fuße der Hohen Tatra. 1945 gab es hier keine Vertreibungen und so gibt es hier noch  ca. 800 von 900 Einwohnern mit  deutscher Muttersprache. Weitere größere deutsche Bevölkerungsanteile gibt es im Bereich der Unterzips in der Stadt Kaschau und im Dorf Metzenseifen. Metzenseifen ist ähnlich wie Hopgarten noch zu ca. 85 % deutsch. Der Staatspräsident Rudolf Schuster stammt von hier und er bekennt sich offen zu seiner Herkunft..

Im Gegensatz zu der wesentlich größeren ungarischen Minderheit betrachtet der neue seit 1993 unabhängige slowakische Staat die deutsche Volksgruppe mit einem gewissen Wohlwollen. Der Karpatendeutsche Verein wurde am 30. 9. 1990 in Metzenseifen  neu gegründet und hat nach der Unabhängigkeit seine Aktivitäten erweitert. Er wird durch die slowakische und die deutsche Regierung  mit Geldmitteln unterstützt. Der Verein hat mehr als 4.500 Mitglieder in 33 Ortsgruppen und eine aktive Vereinigung der karpatendeutschen Jugend. In Preßburg (Bratislava) zählt er wieder 1200 Mitglieder. In Käsmark blüht mit ca. 800 Mitgliedern ein reges Vereinsleben mit vielen Veranstaltungen im Haus der Begegnung. Jährlich findet im Juni ein Kultur- und Begegnungsfest statt.

1998 wurde in Preßburg  ein Museum der Kultur der Karpatendeutschen mit einer Dauerausstellung eröffnet, die von der Besiedlung bis zur Vertreibung anschauliche Exponate zeigt.

2011 wurde in Kaschau (Kôsice) ein deutsches Honorar-Konsulat eröffnet, das sich  vor allem um die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Ostslowakei bemüht und sich um deutsche Investoren kümmert. Daneben unterstützt sie die deutsche Botschaft bei der Durchführung von Kulturprojekten im Osten der Slowakei und hält kontakt zum Karpatendeutschen Verein. Die Stadt Kaschau (slowakisch: Kôsice) war im Mittelalter ein bedeutender Kreuzungspunkt bedeutender Handelsstraßen. 1241 von König Belas IV ins Land gerufenen deutschen Siedler stellten dort lange Zeit die Bevölkerungsmehrheit. Auch heute ist Kaschau noch eine multiethnische Stadt, in der neben 90% Slowaken etwa 9000 Ungarn, 5000 Roma, 4000 Tschechen, 2000 Ruthenen und ca 400 Deutsche leben. Anfang der 1990er Jahre wurde die historische Altstadtvorbildlich restauriert und die Belohnung folgte mit der Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2013.

4. Deutsche Sprache, Schule und Presse


Besonders zu erwähnen ist die Stadt Käsmark in der Oberzips. Dort wird in der Volksschule sieben Stunden pro Woche auf Deutsch unterrichtet. Das Gymnasium hat einen deutschsprachigen Zweig, in dem alle Fächer auf Deutsch unterrichtet werden. Nach dem Abitur ist ein Studium in Deutschland oder Österreich möglich -  allerdings oft eine finanzielle Unmöglichkeit, und Stipendien sind rar.

Nach der Wende haben sich umfangreiche Geschäftsbeziehungen zwischen der Slowakei und den deutschsprachigen Staaten entwickelt. Dadurch ist das Interesse an der deutschen Sprache groß, zumal viele Firmen aus dem deutschen Sprachraum Niederlassungen und Zweigbetriebe in der In der Slowakei errichteten (z. B. die VW-Werke). So gibt es vor allem in Bratislava (Preßburg) auch viele Monteure, Manager und Handelsreisende aus dem deutschen Sprachgebiet. Dies führte 2005 zur Errichtung einer Deutschen Schule und seit 2012 gibt es eine private vom slowakischen Staat anerkannte deutschsprachige Goethe-Hochschule. Dort können Studenten aus allen mittel- und osteuropäischen Ländern und natürlich auch aus Deutschland, Österreich und der Schweiz,  in deutscher Sprache studieren. Die Bildungseinrichtung ist die erste deutschsprachige Hochschule in der Geschichte des Landes und erweitert das Angebot an fremdsprachiger Hochschulausbildung in der Slowakei. Ihre Einrichtung wurde mit besonderer Unterstützung der Deutschen Botschaft in Bratislava, insbesondere des Botschafters Dr. Axel Hartmann, ins Leben gerufen. Der Studienbetrieb wurde im Wintersemester 2012/2013 aufgenommen.[4]

Nach Jahren der Unterdrückung deutscher Presseorgane erscheinen nun auch wieder regelmäßig deutsch- oder zweisprachige Zeitungen und Zeitschriften. So gibt der Karpatendeutsche Verein eine Monatszeitschrift, das Karpatenblatt heraus. Als weitere deutsche Zeitungen erscheinen in der Slowakei u. a, die Pressburger Zeitung und die Neue Pressburger Zeitung.[5]


[2] Viele Hinweise kommen von: http://www.owep.de/ausgabe/2006-4

[3] Zusammengestellt im wesentlichen auf der Basis von verschiedene Veröffentlichungen in der VDA-Zeitschrift „Globus“ und http://www.kdv.sk/

[4] http://www.guni.sk/hochschule-goethe-uni-bratislava/

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